Der Verein „Jugendhilfe und Sozialarbeit e.V.“ investiert in die Zukunft seiner Evangelischen Jugendbildungs- und Begegnungsstätte Hirschluch: Nachdem bereits erste Sanierungsarbeiten in den Unterkünften begonnen haben, sollen jetzt mehrere Millionen Euro in Ersatzbauten fließen, kündigt Einrichtungsleiterin Barbara Hink an.
Strahlend gelb präsentiert sich die Fassade des Hauses „Güldene Sonne“: Schon von weitem ist das 1928 erbaute Gebäude gut zu erkennen, in dem an diesem Tag im Seminarraum gesungen wird. Vorsichtig öffnet Barbara Hink die Tür zum Gebäude, um stolz die Unterkünfte zu präsentieren: maßgeschneiderte Betten, frische Farben an den Wänden und rundum neue Elektroleitungen. Gleich nebenan, im Haus der Stille, liegt Baustaub auf den Fluren, sind teilweise unverputzte Wände zu sehen. Weil in den Wintermonaten erfahrungsgemäß weniger Gäste in der Jugendbildungs- und Begegnungsstätte Hirschluch Quartier nehmen, wird die Zeit für Sanierungsarbeiten genutzt. Zimmer erhalten unter anderem ein eigenes Bad mit Dusche, neue Leitungen werden verlegt und Möbel auf Maß angefertigt. Zwei Zimmer werden derzeit so umgebaut, dass sie auch von Menschen mit Behinderungen und Pflegebedürftigen genutzt werden können. Gut 340.000 Euro kosten die Arbeiten. Sie sind jedoch nur ein Vorgeschmack auf die größten Bauvorhaben in der jüngeren Geschichte von Hirschluch.
Der größte Beherbergungsbetrieb im Landkreis Oder-Spree
Seit 1925 steht Hirschluch als Ort der Begegnung und Erholung, geleitet vom christlichen Gedanken der Evangelischen Kirche. Wie durch ein Wunder überstand die Anlage, die von der Reichenwalder Straße aus erreichbar ist, nicht nur den Zweiten Weltkrieg, sondern auch die Zeit der DDR. Generationen von jungen Menschen dürften sich an schöne Tage und Wochen in Hirschluch erinnern, das nach der Wende kurz vor der Schließung stand und nun eine weitere Blüte erfährt (siehe Infokasten). „Es stand zeitweise nicht gut um Hirschluch“, weiß Barbara Hink, seit 2011 die Leiterin der Evangelischen Jugendbildungs- und Begegnungsstätte.
Neben einem Trägerwechsel ging es um die Frage, wie sich die Einrichtung konzeptionell und baulich für die Zukunft aufstellt. Unter der Regie des jetzigen Trägervereins „Jugendhilfe und Sozialarbeit e.V.“ (Jusev) entstand ein Zukunftskonzept, es folgte die Anerkennung als Bildungsstätte. Vor allem aber konnte die Zahl der Übernachtungen von 23.000 im Jahr 2011 auf inzwischen 32.000 pro Jahr erhöht werden. Derzeit verfügen die sieben Unterkunftshäuser auf dem Gelände über eine Kapazität von 180 Betten. „Damit sind wir im Landkreis Oder-Spree der größte Beherbergungsbetrieb“, sagt Barbara Hink stolz. Während unter der Woche vor allem Schulklassen nach Hirschluch kommen, nutzen am Wochenende Vereine und Organisationen das Gelände für Seminare, Workshops oder Klausurtagungen. So soll es auch künftig sein. In erster Linie liegt der Fokus auf Menschen zwischen 12 und 27 Jahren, verstärkt sollen Gäste aus dem benachbarten Ausland gewonnen werden.
Da passt es gut, dass der Verein Jusev aus dem Vermögen der DDR-Parteien (sogenannte SED-Mittel) 2,5 Millionen Euro bewilligt bekommen hat. Das Land Brandenburg stellt 900.000 Euro in Aussicht, auch die Landeskirche möchte sich beteiligen. Mit einem vorgeschriebenen Eigenkapital-Anteil sollen 4,5 Millionen Euro in die Zukunft von Hirschluch fließen. Das Geld ist für den Ersatzbau eines Seminarhauses anstelle der einstigen Heimleiterwohnung und Wäscherei geplant. Zwei Unterkunftsgebäude, zwischenzeitlich vom Militär genutzt, sollen einem neuen Unterkunftsgebäude mit Seminarräumen und Platz für zwei Schulklassen weichen. Zwar erhöht sich die Zahl der Betten damit nicht – wohl aber der Komfort für die Übernachtungs- und Tagungsgäste.
Gerade läuft ein Architekturwettbewerb. Und die Zeit drängt. Damit die SED-Mittel nicht verfallen, muss das Projekt bis Ende 2020 abgerechnet werden. Hinzu kommt, dass die Bauphase so kurz wie möglich gehalten wird, um den laufenden Betrieb nur so wenig wie nötig einzuschränken. „Unser Ziel ist, im Rahmen eines Tages der offenen Tür die Ersatzbauten im Frühjahr 2021 zu präsentieren“, sagt Barbara Hink. Marcel Gäding
Weitere Informationen im Internet:
www.hirschluch.de
Hirschluch: Fast 100 Jahre Storkower Geschichte
1925: Der Evangelische Erziehungsverein für Berlin und Umgebung erwirbt das Areal bei Storkow für 45.000 Reichsmark. Im gleichen Jahr verleben die ersten Kinder erholsame Tage. An- und Umbauten werden abgeschlossen.
1939: In Hirschluch werden Wehrmachtssoldaten einquartiert, die später am Überfall auf Polen teilnehmen. Im gleichen Jahr wird Hirschluch Lazarett.
1945: 600 körperlich und geistig behinderte Menschen werden wegen der Kriegshandlungen von Fürstenwalde nach Hirschluch in Sicherheit gebracht. Bei einem Barackenbrand kommen 23 Menschen ums Leben. Am 25. April besetzt die Rote Armee das Gelände. Teil von Hirschluch werden von den Sowjets beschlagnahmt und dienen unter anderem als Barackenlager.
DDR-Zeit: Das Areal geht in das Vermögen der Evangelischen Kirchenprovinz Brandenburg über. Eine Kapelle wird errichtet; die Evangelische Kirche nutzt Hirschluch für Begegnung und Austausch. Es folgen Erweiterungen.
Nachwendezeit: Die Landeskirche investiert in die Sanierung der Dächer, in eine neue Küche und einen neuen Speisesaal. Nach kurzer Debatte, Hirschluch zu schließen, geht das Gelände an den diakonischen Träger „Jugendhilfe und Sozialarbeit e.V.“ über. Das Jugendheim Hirschluch trägt fortan den Namen „Evangelische Jugendbildungs- und Begegnungsstätte Hirschluch“. Es gibt Um- und Ausbauten im und am Haus der Begegnung.