Uhren Schmidt: seit mehr als 100 Jahren am Platz

Marcella Voss hinterm Tresen ihres Geschäfts „Uhren Schmidt“. Fotos: Marcel Gäding
Marcella Voss hinterm Tresen ihres Geschäfts „Uhren Schmidt“. Fotos: Marcel Gäding

Wer den kleinen Laden von „Uhren Schmidt“ am Storkower Markt betritt, der wird nicht nur durch das Glöckchen an der Tür begrüßt, sondern von den knarrenden Dielen. Drinnen stehen die Regale voll: Wanduhren, Wecker, Pendeluhren. In den Auslagen: Armbanduhren von klassisch bis modern, mal schlicht, mal verspielt. Doch von der Chefin fehlt jede Spur. 

Marcella Voss ist jedoch allgegenwärtig, denn die meiste Zeit ihres Arbeitstages verbringt sie in ihrer Werkstatt im Obergeschoss. Über einen kleinen Monitor auf ihrer Werkbank hat sie ihren Laden stets im Blick. Geht die Tür auf, macht sich die 40-Jährige über die mehr als 100 Jahre alten Treppen auf den Weg nach unten. Die Stufen sind ihr sehr vertraut, denn in dem Haus mit der Adresse „Am Markt 25“ wuchs sie auf. Im Flur hängen die Meisterurkunden von Firmengründer Franz, von Gerhard und von Dietmar. Auch wenn hier die Uhren meist richtig ticken, scheint die Zeit an einigen Stellen im Haus stehen geblieben zu sein: Die Ladeneinrichtung ist noch original – genau wie die kleinen Holzschränkchen mit dem Material für Uhren-Reparaturen. Das Modernste hier dürften noch die Auslagen in den Vitrinen, der PC-Arbeitsplatz oder die Videokamera im Laden sein.

Storkower Familienunternehmen in vierter Generation

Seit vier Jahren führt Marcella Voss „Uhren Schmidt“ in vierter Generation. Ihr Vater Dietmar, der vor mehr als 50 Jahren die Geschäfte von Gerhard Schmidt übernahm, kommt ab und an noch in die Werkstatt, um Reparaturaufträge zu erledigen. Er ist einer der Letzten seiner Zunft im gesamten Land Brandenburg. Sein Arbeitsplatz besteht aus kleinen Schraubstöcken, Mini-Werkzeug, mittendrin lieg eine Uhrmacherbrille mit eingebauter Lupe. Gegenüber hängen alte Wanduhren, darunter ein mehr als 100 Jahre altes Exemplar. „Die Uhr ist immer wieder bei uns zur Reparatur“, berichtet Marcella Voss. Sie bleibe stets an der gleichen Stelle stehen. „Mein Vater geht an solche Aufträge mit einer Engelsgeduld heran“, sagt sie. Dabei kommt es zuweilen zu lustigen Szenen in der Werkstatt – beispielsweise, wenn eines der filigranen Bauteile mal herunterfällt und die ganze Familie auf dem Boden herumkriecht, um es zu suchen.

Mit Marcella Voss begann 2016 eine neue Zeit bei Uhren Schmidt. Denn sie ist die erste geborene Schmidt, die nicht das Uhrmacherhandwerk erlernte, sondern sich für eine Ausbildung zur Goldschmiedin entschied. „Ich habe mich mal drei Tage lang daran versucht, Uhren zu reparieren“, sagt Marcella Voss. Doch irgendwie merkte sie schnell, dass diese Präzisionsarbeit nichts für sie ist. Und so ging es für die junge Frau erst einmal in die ganze Welt: Nach ihrer Lehre arbeitete sie ein Jahr als Goldschmiedin, später verkaufte sie Klamotten und heuerte bei einem Kreuzfahrtanbieter an, der eine Juwelierstelle ausgeschrieben hatte. Zwei Jahre befand sich ihr Arbeitsplatz auf hoher See. Voss verkaufte neben Schmuck Parfüms, stieg zur Shop-Managerin auf. Jeden Tag blickte sie aus ihrem Fenster auf andere Landschaften – mal waren das karibische Buchten, mal beeindruckende Fjorde in Skandinavien. „Allerdings hat man bei so einem Job kein Privatleben“, sagt Marcella Voss. Später zog es sie zunächst als Angestellte von Duty-Free-Shops auf den Flughafen Schönefeld, bevor sie schließlich den väterlichen Betrieb übernahm. Sie tauschte ihre Festanstellung gegen die Selbstständigkeit, arbeitet nun sechs Tage die Woche.

Generationswechsel in kleinen Schritten

Der Generationswechsel bei „Uhren Schmidt“ vollzieht sich in ganz kleinen Schritten. Denn einerseits sollen weiter Stammkunden angesprochen werden. Andererseits weiß Marcella Voss, dass sie neue Dinge probieren muss. Da passt es gut, dass sie mit ihren eigenen Schmuckkreationen eine neue Zielgruppe anspricht, die sich von der Goldschmiedin individuellen Schmuck anfertigen lässt. Klar ist aber: Aufwändige Reparaturen, wie sie Papa Dietmar noch beherrscht, stehen nicht mehr an erster Stelle. Dafür gibt es kaum noch Bedarf. „Die Leute kaufen sich heute eher eine neue Uhr, als eine alte wieder instand setzen zu lassen.“ Was immer läuft, ist der Wechsel von Batterien oder das Anpassen von Uhren-Armbändern. Froh ist Marcella Voss, dass sie immer noch ihren Vater hinter sich weiß, der komplexere Aufträge ausführen kann: „Er macht die Uhren, ich die Goldschmiedearbeiten.“ Während vor allem zu Ostzeiten der Laden mit dem Verkauf und Reparaturen von Uhren brummte, baut Marcella Voss nun ihren Schmuckbereich aus – vor Ort im Geschäft sowie im Internet mit eigener Marke und eigenen Kollektionen. „Klar zahlt man dafür mehr, aber man bekommt ein Unikat.“ Inzwischen hat sie neue Kundenkreise erschlossen. Dazu gehören Urlauber, die das Geschäft am Storkower Marktplatz eher zufällig entdecken. Und so bewahrt sie eine Familientradition, die 1920 begründet wurde. Ein Gewinn ist das für die Storkower Innenstadt allemal, in der sich meist nur noch inhabergeführte Unternehmen mit kleinen Geschäften halten und sich gegen die Konkurrenz in Einkaufszentren durchsetzen. „Uhren Schmidt“ – so viel ist gewiss – ist damit nicht nur eines der ältesten Geschäfte am Platz, sondern ein Unternehmen mit Zukunft. Marcel Gäding

„Uhren Schmidt“, Am Markt 25, 15859 Storkow (Mark), Tel. 033678 73174, Internet: www.uhren-schmidt.com