Corona auf dem Dorf: Gemeinschaftsleben per WhatsApp

Enrico Graß ist ehrenamtlicher Ortsvorsteher des Storkower Ortsteils Kummersdorf. Foto: Marcel Gäding
Enrico Graß ist ehrenamtlicher Ortsvorsteher des Storkower Ortsteils Kummersdorf. Foto: Marcel Gäding

Die Corona-Krise wirkt sich auf Bräuche und Traditionen in den Storkower Dörfern aus. Zu Besuch in Kummersdorf, dem größten Ortsteil der Stadt. Von Marcel Gäding.

Sternenklar ist diese Nacht, der tief dunkelblaue Himmel über Kummersdorf ist von einigen Wolken überzogen. Hastig huscht eine Katze von einer Seite der Straße auf die andere. Nur vereinzelt brennt in einem der Wohnhäuser noch Licht. Für einen Moment lässt diese malerische Idylle die Corona-Krise vergessen.

Enrico Graß ist der Ortsvorsteher von Kummersdorf, einige nennen ihn auch Dorfschulze. Seit sechs Jahren kümmert er sich um das Leben in dem größten Storkower Ortsteil. Dazu gehören viele Veranstaltungen, eine dringend benötigte Straßensanierung oder der lang ersehnte Neubau des kombinierten Gemeinde- und Feuerwehrgerätehauses. Das alles aber muss nun hintenanstehen. Innerhalb weniger Tage haben sich auch in Kummersdorf die Prioritäten verschoben. Das analoge Gemeinschaftsleben steht still.

Gleich hinter dem Dorfgemeinschaftshaus haben die Kummersdorfer Anfang März trockenes Holz für das traditionelle Osterfeuer abgelegt: Diesen Brauch begehen die Dorfbewohner seit der Wende, dieses Jahr sollte mit der Veranstaltung zum 24. Mal das Ende des Winters begangen werden – bei Gegrilltem und frisch gezapftem Bier. „Das Osterfeuer wurde stets Gründonnerstag entzündet“, sagt Enrico Graß. Es reiht sich ein in eine Vielzahl von Veranstaltungen wie dem Tanz in den 1. Mai, den Tag der offenen Tür bei der Feuerwehr, dem legendären Oktoberfest oder den regelmäßigen Grillmeisterschaften. „Vergangenes Jahr fiel das Feuer wegen der großen Wald- und Feldbrandgefahr aus, dieses Jahr mussten wir es wegen Corona streichen.“ Also lag der große Haufen aus Alt- und Totholz noch weit nach Gründonnerstag an Ort und Stelle. Um zu verhindern, dass sich dort Tiere einnisten oder wie im vergangenen Jahr Unbekannte das Material entzünden, wurde es vor wenigen Tagen von der Feuerwehr kontrolliert niedergebrannt.

Rührige „Kummsen-City“

Es schmerzt den Ortsvorsteher sehr, dass derzeit das Gemeinschaftsleben quasi nur noch online stattfinden kann. Dabei ist Kummersdorf mit seinen mehr als 500 Einwohnern ein rühriger und geselliger Ortsteil mit Kegelverein, Volleyballverein, Feuerwehrverein, Landfrauen und Volkssolidarität. Es gibt quasi für jede Altersgruppe und Generationen Freizeitangebote. Ist ein Projekt geplant, packen viele mit an – wie bei den 48 Stunden-Aktionen, in deren Rahmen schon der Jugendclub oder das Gemeinschaftshaus verschönert wurden. Für die meisten ist Kummersdorf einfach nur „Kummsen“. Die ortseigene WhatsApp-Gruppe der Bewohner nennt sich „Kummsen-City“.

In eben diese Gruppe stellt Enrico Graß derzeit alles, was er an Informationen zu Corona hat, insbesondere die aktuellen Zahlen von Infizierten, die das Gesundheitsamt des Landkreises Oder-Spree veröffentlicht. Das Smartphone ist ohnehin momentan ein wichtiges Hilfsmittel für den Ortsbürgermeister. Als er kürzlich davon erfuhr, dass ein junger Kummersdorfer einen Geburtstag mit Gästen feierte, schickte er ihm eine Nachricht mit der Bitte, diese Veranstaltung zu beenden. Ist es notwendig, sucht Graß auch das Gespräch und bittet seine Kummersdorfer um Verständnis und Einsicht für die derzeit geltenden Beschränkungen. Er fühlt sich für seine Dorfbewohner verantwortlich und möchte, dass alle diese schwierige Zeit unbeschadet überstehen. Klar kann er verstehen, dass Kontaktbeschränkungen und Verbote nerven. „Wir alle haben ja dieses Gemeinschaftsbedürfnis und sehnen uns danach, mal wieder jemanden einladen zu dürfen“, sagt Enrico Graß. Doch Regeln sind nun einmal dazu da, eingehalten zu werden. „Und als Ortsbürgermeister habe ich kein Interesse, dass die Polizei etwa eine Geburtstagsfeier sprengt.“ Also nimmt er die Sache selbst in die Hand, achtet darauf, dass Verordnungen befolgt werden. „Auch wenn das komisch klingen mag: da bin ich typisch deutsch.“

Noch ist schwer vorstellbar, dass irgendwann mal wieder der normale Alltag nach Kummersdorf das Leben bestimmt. Doch Enrico Graß will die Zeit sinnvoll nutzen. So hat sich Kummersdorf für den Wettbewerb „Unser Dorf hat Zukunft“ beworben. Eigentlich sollten die Projektunterlagen dafür am 6. Mai eingereicht werden. Nun verschiebt sich alles nach hinten. „Das gibt uns die Gelegenheit, unsere Präsentation zu verfeinern.“