Seit einigen Tagen befindet sich im Groß Eichholzer Ortsteil Kolonie eine Tafel: Auf Texten und Fotos haben die 14 Anwohner die Geschichte der kleinen, unscheinbaren Siedlung zusammengetragen. Diese ist eng mit dem Alten Fritz verbunden.
Eine kleine, unscheinbare Asphaltstraße. Links und rechts Kiefern, ab und an ein Feld: Wer von Groß Eichholz in den Ortsteil Kolonie läuft, begegnet nur wenigen Menschen. Selbst an Wochentagen ist es dort ruhig. Lärm erzeugt nur der Wind, der durch die Bäume pfeift. Man könnte meinen, hier ist die Welt zu Ende – bis man von weitem kleine Häuser sieht, deren Bewohner sich gerne als „Kolonisten“ bezeichnen. So nannte man die Siedler der Kolonie Groß Eichholz bereits im 18. Jahrhundert, als jene kleine Ortschaft auf Geheiß von Friedrich dem Großen gegründet wurde.
Einer dieser „Kolonisten“ ist Norbert Lenhardt, pensionierter Verkehrspolizist und im zweiten Leben Heimatforscher. Um die Jahrtausendwende entdeckte er in seinem Elternhaus eine alte Kiste. Was er darin fand, weckte seine Neugier: Eine vergilbte Urkunde, verfasst in alter deutscher Schrift. Später sollte sich herausstellen, dass es sich um die Gründungsurkunde für Haus und Hof seiner Vorfahren handeln sollte, datiert auf den 19. Juni 1786, unterzeichnet vom „Königlich Preußischen Kriegs Amt“. Mehr Licht ins Dunkel brachte die Übersetzung des wertvollen Papiers. Demnach hatte der Preußische König Friedrich der Große wenige Wochen vor seinem Tod verfügt, einstigen Soldaten seiner Regimenter Land zur Verfügung zu stellen und auch die Kosten für den Bau von Wohnhäusern zu übernehmen. Diesem Erlass folgend entstanden fünf Doppelhäuser für einstige Soldaten, jeder von ihnen bekam vier Morgen Land für Acker und Garten – umgerechnet rund 10.000 Quadratmeter. In der Urkunde wurde dem Büdner Martin Grund zudem das Recht zugesprochen, Haus und Hof zu vererben oder zu veräußern. Geregelt ist zudem, dass der Nutznießer maximal zwei Kühe, keineswegs aber Schafe, Hühner oder Gänse halten darf. Unterzeichnet ist die Urkunde sowohl von Amtspersonen als auch von Martin Grund selbst: Der machte drei Kreuze darunter – üblich zu damaliger Zeit für Menschen, die nicht schreiben konnten.
Kolonisten mit Leidenschaft zur Geschichte
Jener Fund entfachte in der Kolonie Groß Eichholz eine wahre Leidenschaft für die Geschichte der Siedlung. Norbert Lenhardt holte sich Unterstützung bei Nachbarn, wandte sich an den Storkower Heimathistoriker Erich Oehring. „Friedrich der Große war wirklich ein Diener seines Volkes“, sagt Norbert Lenhardt und weist darauf hin, dass es neben der Kolonie Groß Eichholz mindestens noch 108 weiterer solcher Siedlungen – unter anderem in Neu-Boston, Philadelphia, Görsdorf-Busch und Wolfswinkel – gegründet wurden. Ganz uneigennützig war der Preußenkönig jedoch nicht. Mit dieser Art sozialem Wohnungsbau besiedelte der Alte Fritz ungenutzte Flächen in der Mark Brandenburg.
Mehr als 170 Seiten umfassen inzwischen die Dokumente, die Nobert Lenhardt und seine Nachbarn zusammentrugen. „So etwas muss man für die Nachwelt aufbewahren“, sagt der Rentner. Unterstützung bekommt er von den anderen Kolonisten wie Linda Wolf, die mit ihrer Familie seit den 1990er-Jahren im Ort wohnt. Auf diese Weise kam auch die Informationstafel zustande. „Ureinwohner“ wie der Groß Eichholzer Reinhard Krüger lieferten zudem viele Anekdoten aus vergangenen Zeiten. Das gesamte Material bewahrt Lenhardt in großen Aktenmappen auf, alles säuberlich in Folien sortiert.
Das Haus der Lenhardts ist noch als Doppelhaus erhalten geblieben. Norbert Lenhardt weiß inzwischen, dass das Gehöft über Generationen weitervererbt wurde. Nach dem Tod seiner Eltern ist nun Lehnhardt Besitzer des Anwesens, mit dem er viele Kindheitserinnerungen verbindet. Auf alten Schwarzweißfotos ist er mit den Kindern der anderen Höfe zu sehen. „Unser Spielplatz war die Straße, wir hatten hier ein ruhiges Leben“, sagt er. Lenhardt hofft, dass er jüngere Mitstreiter findet, um die Geschichte der Kolonie weiter zu erforschen. Sein größter Wunsch ist zudem, den einst für die Kolonisten angelegten Friedhof mit seinen historischen Gräbern unter Schutz zu stellen. Bis heute wird er als Begräbnisplatz für die „Kolonisten“ genutzt. Marcel Gäding