Erinnerung an die letzten Juden von Storkow

Das Haus mit dem Konfektionsgeschäft von Felix Todtenkopf existiert nicht mehr. An dessen Stelle entstand ein neues Gebäude. Foto: Marcel Gäding
Das Haus mit dem Konfektionsgeschäft von Felix Todtenkopf existiert nicht mehr. An dessen Stelle entstand ein neues Gebäude. Foto: Marcel Gäding

Ein Wohnhaus in der Storkower Altstadt. Zwei Etagen, ausgebautes Dachgeschoss. Das Gebäude mit der Adresse „Am Markt 24“ wirkt unscheinbar und passt sich als Nachwende-Neubau gut zwischen die übrigen noch erhaltenen historischen Häuser ein. Verblasst ist die Geschichte um dieses Haus, in dem sich bis 1938 ein Textilgeschäft befand.

Jenes Textilgeschäft wurde von Felix Todtenkopf (1879-1958) betrieben, einem jüdischen Kaufmann. Seine Familie gehörte zu den wenigen jüdischen Familien, die in Storkow (Mark) lebten und für die sich mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten im Jahr 1933 alles ändern sollte. Keine fünf Jahre, nachdem Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannt wurde, verwandelte sich der bis dahin meist verbal geäußerte Hass gegenüber Juden in blanke Gewalt: 1938 schließlich kam es zu Übergriffen auf jüdische Geschäfte und Einrichtungen in ganz Deutschland.

Die Reichspogromnacht vom 9. auf den 10. November ging auch als „Kristallnacht“ in die Geschichtsbücher ein. Bilder von brennenden jüdischen Synagogen oder eingeschlagenen Schaufensterscheiben sorgten für Aufsehen. Und auch die in Storkow (Mark) lebenden Juden blieben von den Übergriffen nicht verschont.

Quasi schräg gegenüber von ihrem Geschäft lebten damals Felix Todtenkopf, seine Frau Olga, Sohn Harry und Tochter Anneliese. Von ihrem Wohnzimmer aus konnten sie auf ihr Textilgeschäft blicken, das im Zuge der Ereignisse der „Kristallnacht“ in Mitleidenschaft gezogen wurde. Zwei Jahre sollte es noch dauern, bis Olga und Felix Todtenkopf einen Entschluss fassten und schließlich nach Shanghai auswanderten, um von dort in die Vereinigten Staaten von Amerika überzusiedeln. Nur dadurch entkamen sie ihrer Verhaftung und schließlich einer Unterbringung in einem Konzentrationslager. Anders erging es ihren Nachbarinnen Else Groß und Erna Kaplan, die 1942 deportiert wurden. Heute erinnert eine Gedenktafel am Wohnhaus „Am Markt 16“ an die letzten jüdischen Mitbürger, die auf Initiative des Historischen Beirats angebracht wurde. Wo sich einst das Textilgeschäft von Felix Todtenkopf befand, existieren keine Erinnerungen mehr.

Zumindest in absehbarer Zeit aber soll sich das ändern – und zwar in Form eines Stolpersteins. Stolpersteine sind das europaweite Projekt des Künstlers Gunter Demnig, das an die Vertreibung und Vernichtung der Juden, der Sinti und Roma, der politisch Verfolgten, der Homosexuellen, der Zeugen Jehovas und der Euthanasieopfer im Nationalsozialismus lebendig hält. Demnig erinnert seit 2003 an die Opfer der NS-Zeit, indem er vor ihrem letzten selbst gewählten Wohnort Gedenktafeln aus Messing ins Trottoir einlässt. Inzwischen liegen Stolpersteine in 1.265 Kommunen Deutschlands und in 21 Ländern Europas.

Die Initiative für den Stolperstein kommt von der SPD-Fraktion in Storkow (Mark), insbesondere vom Stadtverordneten Heinz Bredahl, dessen Tochter an der heutigen Adresse des einstigen Textilgeschäfts eine Praxis für Allgemeinmedizin betreibt. Demnächst soll sich die Stadtverordnetenversammlung mit einem entsprechenden Antrag für einen Stolperstein beschäftigen.

„Die Verlegung eines Stolpersteins für Felix Todtenkopf soll nur ein Anfang sein, weitere Stolpersteine sollen folgen“, erklärt Matthias Bradtke, der Vorsitzende der SPD-Fraktion in der Stadtverordnetenversammlung sowie Chef des SPD-Ortsvereins von Storkow (Mark). „Hierzu bedarf es jedoch noch der besseren Aufbereitung der jüdischen Geschichte, beispielsweise unter Einbeziehung des Historischen Beirats oder auf der Grundlage von Geschichtsprojekten gemeinsam mit der Europaschule.“ (gäd.)


Hintergrund: Juden in Storkow (Mark)

Die Geschichte der Storkower Juden reicht bis ins 17. Jahrhundert zurück. Allerdings wurde erst nach 1850 eine Synagoge gebaut, denn mit der Gleichstellung der Juden wuchs die Jüdische Gemeinde stetig an und erreichte 1860 ihren Höhepunkt. Obwohl die Mitgliederzahlen in den folgenden Jahren eher sanken, blieb die Synagoge, heute ein Wohnhaus in der Kirchstraße, bis ins frühe 20. Jahrhundert hinein Mittelpunkt des jüdischen Lebens. Dieses fand erst durch den Nationalsozialismus seinen endgültigen Niedergang in Storkow. Einer der letzten Vertreter der Jüdischen Gemeinde war der Textilkaufmann Felix Todtenkopf. Nach dem Pogrom 1938, bei dem neben der Synagoge auch der Laden des Geschäftsmannes beschädigt wurde, musste die Synagoge verkauft werden.

(Quelle: www.uni-potsdam.de/synagogen-in-brandenburg/orte/storkow.php)