Die Leitung der städtischen Pflege- und Betreuungseinrichtungen in Karlslust hat noch vor der Politik entschieden, ihre Häuser für den Besucherverkehr zu schließen. Für Mitarbeiter und Bewohner ist dieser Zustand belastend. Von Marcel Gäding.
Die Tage von Ulla Mulalic enden spät und beginnen früh, dann meist mit großen Sorgen: „Das Handy ist rund um die Uhr angeschaltet, und morgens hoffe ich inständig, dass es den Bewohnern in unseren Einrichtungen gut geht“, sagt die Geschäftsführerin der gemeinnützigen Pflege- und Betreuungsgesellschaft der Stadt Storkow mbH. Als „Zuhause am Storkower See“ betreibt das Unternehmen Einrichtungen in Karlslust mit stationärer Pflege, Betreutem Wohnen sowie ambulanten Wohngemeinschaften am Storkower Kanal. Allein am Standort Karlslust leben derzeit gut 100 betagte Menschen, die aus Sicht der Epidemiologen zur sogenannten Risikogruppe gehören. Stecken sie sich mit dem Corona-Virus an, kann die daraus resultierende Covid 19-Erkrankung ernste bis tödliche Folgen haben. Mit Spannung verfolgt Ulla Mulalic daher die Nachrichten, wenn etwa wieder über Corona-Ausbrüche in Krankenhäusern oder Pflegeheimen berichtet wird. Dann fragt sie sich jedes Mal aufs Neue: Machen wir alles richtig?
Bisher sieht alles ganz danach aus. Denn noch bevor die Politik Besuchsverbote in Pflegeeinrichtungen anordnete, reagierte die Geschäftsführung vom „Zuhause am Storkower See“: Bereits am 13. März 2020 schottete man die Einrichtungen ab, untersagte schweren Herzens Besuche von Angehörigen und Freunden. Erst vier Tage später zog das Land Brandenburg mit einer entsprechenden Verordnung nach. Ulla Mulalic weiß, dass die ihr anvertrauten Menschen besonders gefährdet sind. Auch deshalb hat sie sehr zeitig das Besuchsverbot erlassen. „In Einrichtungen wie unseren besteht immer die Gefahr von Infektionen“, sagt sie. Und doch bricht es ihr das Herz mit ansehen zu müssen, wie die Bewohner auf persönliche Treffen mit ihren Angehörigen verzichten müssen.
Seit dem 13. März heißt es also, den Alltag in den Einrichtungen vom „Zuhause am Storkower See“ neu zu gestalten. „Wir versuchen, ein normales Leben sicherzustellen“, berichtet Ulla Mulalic. Natürlich gebe es feste Rituale wie das gemeinsame morgendliche Frühstück in den Wohngruppen oder die Beschäftigungsangebote, „nur eben mit deutlich mehr Abstand und in kleineren Runden.“ Kamen die gut 100 Bewohner anfangs damit noch gut klar, beherrsche nun zunehmend eine gewisse innere Unruhe den Alltag. Zwar telefonieren viele mit ihren Angehörigen, zu Ostern durften diese sogar Videos an ihre Verwandten in die Einrichtung schicken. Doch können all diese Maßnahmen den persönlichen Kontakt, das Halten der Hand oder die innige Umarmung nicht ersetzen. Was fehlt sind die Ausflüge in die Umgebung, etwa in die Innenstadt. Wer von den Bewohnern noch mobil ist, kann immerhin den weitläufigen Park der Anlage nutzen oder sich am Ufer des Storkower Sees aufhalten. „Wir hindern niemanden daran, rauszugehen.“ Viele Bewohner tun sich mit der Situation schwer: „Wir alle haben etwas vor uns, was wir nicht greifen können“, sagt Ulla Mulalic. Denn die Angst vor dem Virus ist da. Sicherheitshalber bleiben die Zimmer der Kurzzeitpflege leer, um dort im Notfall Bewohner zu isolieren. Gleichzeitig gebe es im derzeit ungenutzten Altbau weitere Kapazitäten. Doch Ulla Mulalic hofft, dass alle Schutzmaßnahmen weiterhin ihre Wirkung zeigen.
Froh ist sie darüber, dass es ihr und den 70 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gelungen ist, die Versorgung in diesen schwierigen Zeiten komplett sicherzustellen. Es gebe kaum Ausfälle in der Belegschaft. Dringend benötigtes Material wie Desinfektionsmittel oder Schutzkleidung wurde von Unternehmen, der Stadt und am Ende auch vom Land bereitgestellt. Obwohl man den Mitarbeitern kostenloses Frühstück und Abendessen anbiete und sogar Kosten für die Kitabetreuung übernehme, seien doch auch die Sorgen tägliche Begleiter. „Viele Beschäftigte haben Kinder, müssen ihr Privatleben organisieren“, weiß Mulalic. Das führe zu Belastungen, „vor allem im Kopf“. Und dennoch beweisen die Pflegekräfte jeden Tag aufs Neue, dass sie sich den Herausforderungen stellen. „In dieser Zeit merkt man einmal mehr, was wir für ein tolles Team sind.“ Sie hofft, dass das normale Leben schnell zurückkehrt und der Zuspruch, den die Pflege aktuell erfährt, sich auf in nachhaltigen und zeitnahen politischen Entscheidungen niederschlägt – etwa bei der Vergütung oder dem Personalschlüssel.
Überwältigt ist man im „Zuhause am Storkower See“ über die anhaltende Hilfsbereitschaft: Kürzlich spendierte der neue Italiener an der Burg Pizza und Pasta für die Belegschaft. Und der Unternehmer Rainer Opolka organisierte 1.000 Schutzmasken über Geschäftskontakte aus China – als Spende. Ganz spontan veranstalteten zudem Detlev Nutsch und Lutz Gombert, auch als „Die Zaunreiter“ bekannt, ein spontanes und kostenloses Frühlingskonzert im Innenhof der Einrichtung. Sie spielten Lieder wie „Nun will der Lenz uns grüßen“ oder „Der Winter ist vergangen“. So manches Zimmer wurde so zur Loge.