Anfang der Woche machte ein Bild aus der Storkower Altstadt die Runde: Zu sehen waren darauf unzählige Menschen, die vor dem Altstadt-Café geduldig nach einem Eis anstanden. Doch viele der Wartenden trugen keine Maske oder hielten sich nicht an die Abstandsregeln, wie sie in der Corona-Eindämmungsverordnung vorgeschrieben sind. Und genau das wird zu einem Problem für die Familie, die seit 42 Jahren das Eiscafé betreibt… Von Marcel Gäding.
„Mit Abstand sind Sie unsere besten Kunden“ steht auf einem Schild, das Rainer Domichowski vor seinem Altstadt-Café aufgestellt hat. Und zumindest Donnerstagnachmittag hat man den Eindruck: Die Botschaft ist angekommen. Zwar trägt nicht jeder der Wartenden eine Maske, aber zwischen den Kunden ist ausreichend Abstand. Domichowskis Sohn Max nimmt am Fenster vom Eiscafé zügig die Bestellungen entgegen, gibt im Minutentakt gefüllte Eiswaffeln nach draußen.
Familie Domichowski ist in Storkow (Mark) schon so etwas wie eine Institution. Sie betreibt im Zentrum das „Altstadt-Café“, das Ende der 1970er-Jahre eröffnet wurde. Das kleine Kaffeehaus fehlt in keinem Reiseführer. Es gibt nicht mehr viel Gastronomie in der Stadt. Domichowskis aber haben durchgehalten und so manche Hürde gemeistert. Dass es sie bis heute gibt, mag auch an dem selbstgemachten Eis liegen, das sowohl treue Stammkunden als auch Storkow-Besucher aus dem In- und Ausland anzieht. Seit dem vergangenen Frühjahr aber ist wegen Corona alles anders. Mitte März musste das Kaffeehaus wie alle gastronomischen Einrichtungen schließen, ab April ging es mit einem Außer-Haus-Verkauf weiter, ab Mai schließlich durften wieder eingeschränkt Terrasse und Gastraum genutzt werden. Ende Oktober aber, mit dem zweiten Lockdown, musste Rainer Domichowski erneut schließen und vorzeitig in die Winterpause gehen. Schweren Herzens entließ er sechs Angestellte. Ihnen versprach er aber, sie schnellstmöglich zurückzuholen, wenn sich die Situation etwas entspannt. Zum 1. März dieses Jahres haben alle ihren Job wieder.
Jene Winterpause endete am vergangenen Wochenende, als Rainer Domichowski und sein Sohn Max im Internet ankündigten, zumindest ihre Eisdiele wieder zu öffnen. Sie wussten: Sobald die Frühlingssonne die Leute nach draußen zieht, ist bei ihnen der Appetit auf Eis groß. Und kein Gastronom lässt sich so etwas entgegen – auch nicht in Zeiten von Corona, in denen andere Regeln gelten und Einschränkungen das Tagesgeschäft beeinflussen. Also stellten Domichowskis ihre Schilder vors Café, füllten ihre Eistheke auf und freuten sich, nach vier Monaten Pause wieder Geld zu verdienen. Spätestens am Sonntag aber erlebten Domichowski etwas, was in die Chronik des Familienunternehmens eingeht. Zeitweise bildete sich auf einer Länge von 250 Metern eine Schlange von wartenden Kunden, „die bis zum Marktplatz reichte“, wie Rainer Domichowski sagt. Gut eine Stunde mussten die Leute auf ihr Eis warten. „So etwas habe ich in den 42 Jahren, in denen wir das Café betreiben, noch nicht erlebt.“ Prompt folgte am Montag darauf ein Anruf aus dem städtischen Ordnungsamt mit einer Belehrung. Ein Unternehmer, der einen Außer-Haus-Verkauf anbietet, muss dafür sorgen, dass die Regeln der Eindämmungsverordnung einhalten werden.
„Wir waren so beschäftigt, dass wir gar nicht mitbekommen haben, was da draußen los ist“, sagt Rainer Domichowski entschuldigend. Er sagt, Maske und Abstand müssten sein, das sollte jedem klar sein. Und er war fest davon überzeugt, dass sich die wartenden Kunden auch an die Ratschläge auf den Hinweisschildern halten. Einer von ihnen drückte schließlich auf den Auslöser und machte mit seiner Kamera jenes Foto, das dann in einer Tageszeitung erschien und für reichlich Gesprächsstoff vor allem in den sozialen Netzwerken sorgte: viele Menschen, wenig Abstand, kaum Masken.
Ja, sagt Rainer Domichowski, als Unternehmer trage er Verantwortung. Und was da an jenem denkwürdigen Tag passierte, soll sich in dieser Form nicht wiederholen. Abwechselnd werde er mit seinem Sohn ab sofort einen Blick nach draußen werfen und notfalls die Leute erinnern, dass sie sich an die Regeln halten. Denn die Gastronomen wollen keinen Ärger. Schon vergangenes Jahr hatten sie bewiesen, dass sie die Eindämmungsverordnung ernst nehmen: Die Zahl der Plätze drinnen wurde von 60 auf 40 und draußen von 32 auf 16 reduziert. Jeder Gast musste sich vorschriftsmäßig in Listen eintragen.
Dass die Stadtverwaltung dem Gastronomen Anfang dieser Woche einen „Ordnungsgong“ verpasst habe, stimme so nicht, sagt Storkows Bürgermeisterin Cornelia Schulze-Ludwig (SPD). „Wir möchten unsere Unternehmer und Gastronomen gerade in diesen Zeiten besonders unterstützen“, sagt sie auf Nachfrage. Erklärtes Ziel der Stadtverwaltung sei schließlich, Menschen in die Altstadt zu holen – unter Beachtung der aktuell geltenden Vorschriften. Seit Monaten weise man die Storkower auf allen Kanälen darauf hin, dass sie sich an die Regeln halten mögen. „Eigentlich müssten alle ja nun wirklich wissen, wie sie sich zu verhalten haben.“ Jeder müsse sich immer wieder daran erinnern, welche Verantwortung er trage. „Und jeder kann Herrn Domichowski dabei unterstützen, in dem er sich an die Coronaregeln hält.“