Storkower Nachtwächter empfängt Kollegen aus dem Osten

Der Nachtwächter und seine „Gefährten der Nacht“ ziehen seit zehn Jahren durch Storkow. Am 21. September begrüßen sie ihre „Kollegen“ aus Ostdeutschland.

Wenn es dunkel wird in Storkow, dann kann es schon mal zu einer Begegnung der ungewöhnlichen Art kommen. In die sonst menschenleeren Gassen der Altstadt kehrt plötzlich Leben, erstrahlen alte Gebäude in mystischem Licht, tauchen Figuren in Gewändern längst vergangener Zeiten auf. Einheimische wissen: Der Nachtwächter ist wieder mit seinen „Gefährten der Nacht“ unterwegs – und mit ihnen an die 70 Besucher, auf die ein Open-Air-Theater der ungewöhnlichen Art wartet. Sobald der Winter vorbei ist und bis zu den ersten Nachtfrösten erklären die Laiendarsteller Besuchern die Geschichte der Stadt, schlüpfen in Rollen bekannter und weniger bekannter Storkower Persönlichkeiten. Seit zehn Jahren ist das so. Und auch wenn es keine offizielle Statistik gibt: An die 7.500 Zuschauer dürften es bislang gewesen sein, die vom Nachtwächter und seinen Gefährten Geschichtsunterricht der unterhaltsamen Art bekamen. Stadtmarketing im Ehrenamt quasi.

Der Nachtwächter – das ist Detlev Nutsch. Es ist einem Zufall geschuldet, dass er 2009 auf die Idee mit den Nachtwächter-Führungen kam. „Mein Sohn ging damals in die fünfte Klasse“, erinnert sich Nutsch. Damals habe die Schule eine Nachtwanderung geplant, die im Anschluss an die beliebte Lesenacht in der Storkower Stadtbibliothek stattfinden sollte. Nutsch machte sich Gedanken, deckte sich mit Material über Storkow ein und organisierte einen abendlichen Rundgang durch die Altstadt. Damit die Sache für die Kids nicht dröge wurde, besorgte er sich eine Laterne, einen Stock, einen alten Ledermantel und den Zimmermannshut seines Schwiegervaters. Damit war quasi der Nachtwächter von Storkow geboren.

In Storkow wie in anderen großen und kleinen Städten gab es bis Anfang des 20. Jahrhunderts Nachtwächter. Ausgestattet mit einer Hellebarde (Stangenwaffe), Horn und Laterne zogen sie von Gasse zu Gasse. In erster Linie hatten sie dafür zu sorgen, dass Ordnung und Sicherheit herrschen. Brannte es, blies der Nachtwächter zum Alarm. Machte er im Schutze der Dunkelheit fragwürdige Gestalten mit diebischen Händen aus, nahm er auch schon mal die Verfolgung auf. Zu jeder vollen Stunde sagte er die Zeit an. „Bei uns gab es Nachtwächter sogar in den Dörfern“, sagt Detlev Nutsch. Den Gesang „Hört Ihr Leute, lasst Euch sagen…“ kennen auch heute noch viele. Insgesamt 24 Strophen beginnen mit diesem Satz, der dann singend von den Nachtwächtern fortgesetzt wurde. Besonders angesehen waren die Männer jedoch nicht. Im Gegenteil: Oft sahen sie sich dem Spott der Bevölkerung ausgesetzt, die Bezahlung war miserabel. Irgendwann wurden die Nachtwächter von Revierpolizisten abgelöst. Ihre Tradition wird dennoch bewahrt: Allein in der Deutschen Gilde der Nachtwächter, Türmer und Figuren sind heute mehr als 200 Frauen und Männer organisiert, die Stadtführungen in historischen Gewändern anbieten.

Der Großvater war Alleinunterhalter

Weil seine erste Nachtwächterführung damals, 2009, gut bei den Fünftklässlern ankam, entschied sich Detlev Nutsch, den langen Mantel öfter anzuziehen und die Laterne anzuzünden. „Doch schon damals war klar, alleine macht das keinen Spaß“, sagt der 63-jährige Vorruheständler. Also suchte er nach Gleichgesinnten und gründete mit anderen Frauen und Männern die „Gefährten der Nacht“. Passend zur Eröffnung der sanierten Burg Storkow im Frühjahr 2009 zogen sie fortan regelmäßig los, um Geschichten und Sagen unters Volk zu bringen. „Mittlerweile sind wir eine Nummer“, sagt Detlev Nutsch. Er selbst hat bis heute den Spaß an der Sache nicht verloren. „Ich unterhalte gerne andere Menschen“, sagt er. Das hat er vermutlich von seinem Großvater, der als Alleinunterhalter mit Geige unterwegs war. Das Instrument hat Nutsch immer noch – es ist ein wichtiges Utensil für die musikalischen Führungen, die er ebenfalls anbietet.

Inzwischen gehören der Nachtwächter und seine „Gefährten der Nacht“ zu Storkow wie der Storch. Ein Markenzeichen, das die Stadt weit über ihre Grenzen hinaus bekannt macht. Stolz ist Nutsch, dass am 21. September das Treffen der Sektion Ost der Nachtwächter-Gilde in Storkow stattfindet. An die 60 Gäste werden zum Empfang auf der Burg erwartet. Anlass ist nicht nur das zehnjährige Bestehen der „Gefährten der Nacht“, sondern auch zehn Jahre Wiedereröffnung der Burg und 810 Jahre Storkow. Gäbe es die Gefährten nicht, wären die beiden letzteren Jubiläen wohl in Vergessenheit geraten. Denn touristisch vermarktet wurden sie von offizieller Seite nicht. „Das Jahrestreffen ist ein wichtiges Ereignis, um das ich mich bereits vor drei Jahren bemüht habe“, sagt Detlev Nutsch. Marcel Gäding

Führungen und Theater

Die nächsten Termine des Nachtwächters mit den Gefährten der Nacht: 4. Oktober, 20 Uhr (Führung), 5. Oktober, 19 Uhr (Nachtlabyrinth im Irrlandia), 2. November, 16 und 19 Uhr (Theaterstück „Der Rote Tod“ auf der Burg Storkow), 15. November, 20 Uhr (Führung), 14. Dezember, 16 Uhr (zauberhafte Märchenführung). Karten gibt es im Vorverkauf in der Tourist-Information, Schloßstraße 6, 15859 Storkow (Mark), Tel. 033678 73108, E-Mail: tourismus@storkow.de. Weitere Informationen im Netz unter
http://www.gefaehrten-der-nacht.de

Tipp: Am Freitag, 20. September, 20 Uhr, gibt es im Rahmen des Nachtwächtertreffens eine öffentliche Führung. Anmeldung ist dringend erforderlich unter Tel. 033678 73108.