Vor 75 Jahren in Storkow: drei Tage Kampf, fast 2.000 Tote

Das Hotel Stadt Berlin in Storkow wurde zerstört, Foto: Paul Holz
Das Hotel Stadt Berlin in Storkow wurde zerstört, Foto: Paul Holz

Am 8. Mai jährt sich zum 75. Mal die Befreiung Deutschlands vom Nationalsozialismus und der Hitler-Diktatur. Der Storkower Ortschronist Erich Oehring schildert für den Lokalanzeiger die letzten Kriegstage und spannt den Bogen in die heutige Zeit.

Storkows Poststempel versprach seit den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts „Ruhe und Erholung an schönen Seen und in Wäldern“. Die rasch steigenden Besucherzahlen in der Stadt und die Nachfrage nach einem Zuzug nach Storkow bestätigten die Gültigkeit dieses Versprechens. Selbst in den Kriegsjahren fand mancher hier noch etwas davon vor. Das sollte sich abrupt ändern:

Darüber schreibt der Storkower Historiker Gerd Tschechne 2005: „Nur zwei Wochen vor seinem Ende, am 8. Mai 1945, hatte der 2. Weltkrieg das bis dahin unversehrte Storkow noch mit vernichtender Wucht getroffen.“

Blick auf die im Zweiten Weltkrieg zerstörte Innenstadt von Storkow (Mark), Aufnahme von 1946. Foto: Paul Holz
Blick auf die im Zweiten Weltkrieg zerstörte Innenstadt von Storkow (Mark), Aufnahme von 1946. Foto: Paul Holz

Was geschah in Storkow vor 75 Jahren? Im April 1945 waren die Wälder um Storkow mit Soldaten, Militärfahrzeugen und Kriegsgerät überfüllt, und auf den Straßen suchten Menschen verzweifelt nach einem Rastplatz auf der Flucht. Die einen mussten sich in Erdlöcher eingraben, die anderen wurden eingewiesen, wo gerade Platz war. So kamen Flüchtlinge in der schönen Badeanstalt am See unter. Viele weitere fanden in der Stadt keinen Ort zum Ausruhen und zogen weiter. Reste der deutschen Truppen, die auf den Seelower Höhen geschlagen worden waren, fluteten am 20. April durch die Stadt. Auf sie sollten die Bomben fallen, stattdessen trafen diese Gärten am Stadtrand und die Badeanstalt. Dort starben 14 Flüchtlinge. Vielen Storkowern gingen die Augen auf, ihnen wurde bewusst, jetzt ist der Krieg bei uns angekommen. Mit schnell zusammengerafften Dingen beluden sie den Handwagen und folgten den Flüchtenden in Richtung Bugk und Kehrigk.

„Im Städtchen blieben SS-Einheiten, der Volkssturm und – einige mutige Männer und Frauen“, schrieb Franz Becker, Bürgermeister in Storkow von 1945-1949, in seinem Buch „Die große Wende in einer kleinen Stadt“.

Während Teile der deutschen Truppen entlang der Autobahn flüchteten und Unterschlupf in den Wäldern suchten, erreichten Teile der Roten Armee am frühen Morgen des 24. April 1945 den Stadtrand in der Fürstenwalder Straße. Dort hatte der „Volkssturm“ am Vortag die Bäume am Straßenrand gefällt, um daraus Panzersperren zu errichten. Als die Soldaten der Roten Armee sich näherten, wurden sie mit Gewehrfeuer und Maschinenpistolen beschossen Daraufhin schoss die Rote Armee mit leichter Artillerie zurück. Fluchtartig verzogen sich die deutschen Kampftruppen ins Stadtinnere und versperrten in der Gartenstraße mit einem feuernden Panzer den Weg in die Stadt. Er wurde umgangen und gesprengt. An der Stadtbrücke am Storkower Kanal wurde ein T 34 von einer Panzerfaust getroffen und explodierte. Daraufhin wurden neun Häuser in der „Altstadt“, die Häuser Nr. 13 bis 22, zerstört. In der Heinrich-Heine-Straße brannte das Haus Nr. 60 nieder und die Front des Hauses Nr. 2 wurde schwer beschädigt.

Aber nichts wurde in der Stadt unternommen, was das Schlimmste hätte verhindern können. Die Angst vor den Qualen in den Händen der eigenen Machthaber oder die Angst vor der Vergeltung der anderen, die durch eine jahrelange Gräuelpropaganda entstanden war, lähmte jeden vernünftigen Gedanken:

Auch jetzt noch wurde jedes vorherige Kapitulationsangebot der anderen Seite zurückgewiesen. So geriet Storkow in völliger Verkennung der wirklichen Lage in opferreiche dreitägige Kämpfe.

Die aussichtslose Lage führte auch in dieser Situation zu keiner Entscheidung der Verantwortlichen auf deutscher Seite. Es gab bei ihren Befehlshabern keine Vernunft, denn derjenige, der die 1.800 Kilometer von Moskau bis Storkow zurückgelegt hatte, schaffte auch noch die letzten 60 Kilometer bis Berlin.

Stattdessen wurden die Soldaten der Roten Armee vom Kirchturm aus auf der anderen Seite des Kanals auf ihrem Verbandsplatz beschossen. Sie feuerten zurück, dabei geriet die Kirchturmspitze in Brand, stürzte auf das Kirchendach und entfachte in der Kirche ein Feuer, die völlig ausbrannte.

Der letzte militärische Stab der deutschen Truppen flüchtete aus dem Storkower Rathaus, kurze Zeit danach schlugen Flammen aus dem Gebäude. Niemand löschte, die Täter entkamen.

Am Markt brannte die Apotheke, weil das nebenan stehende Bürgermeisterhaus mit Nazifahnen geflaggt hatte und angezündet wurde. Das Hotel „Stadt Berlin“ wurde in Brand geschossen, weil von dort aus auf die anrückenden Rotarmisten geschossen worden war.

Die Explosion des Munitions- und Versorgungszuges am Storkower Güterbahnhof ereignete sich am 25. April 1945 und zerstörte die ehemalige moderne Schuhfabrik Buller. Vor der endgültigen Flucht wurde noch die Eisenbahnbrücke über den Storkower Kanal gesprengt.

Was in Storkow geschah, wurde von SS-Einheiten verursacht, die unsere Stadt in einen Kriegsschauplatz verwandelten. Es hat in Storkow aber auch Beispiele für den Mut tapferer Deutscher gegeben. So konnte die Sprengung der Schleusenkammer des Storkower Kanals erfolgreich verhindert werden. Ein anderer Storkower hingegen, der die große Mühle vor der Zerstörung retten wollte, zahlte mit seinem Leben und wurde von der SS erschossen.

Der sowjetische Soldatenfriedhof in der Fürstenwalder Straße. Foto: Marcel Gäding
Der sowjetische Soldatenfriedhof in der Fürstenwalder Straße. Foto: Marcel Gäding

Im 20. Jahrhundert entstanden nach den beiden Weltkriegen Soldatenfriedhöfe in vielen Ländern, auf denen mehr als hunderttausend Tote beigesetzt wurden. Es ist heute schwer vorstellbar, dass der Ehrenfriedhof der gefallenen Rotarmisten und das Gräberfeld für die Gefallenen des Zweiten Weltkrieges auf dem Storkower Friedhof zu den größten Ruhestätten im Landkreis Oder-Spree gehören. Bei den Kämpfen in der Stadt Storkow und ihrer näheren Umgebung sind in den dreitägigen Kampfhandlungen fast zweitausend Menschen umgekommen.

Zunächst begrub man die toten Soldaten an den Stellen, wo sie gefallen waren. So war es auch in Storkow und den umliegenden Orten. Nachdem die Beisetzung der gefallenen Rotarmisten zuerst auf dem Storkower Marktplatz erfolgen sollte, legte man wegen der großen Anzahl der Toten den Friedhof auf einem ehemaligen Sportplatz an der Fürstenwalder Straße an, dort entstanden 1.289 Gräber für die gefallenen Soldaten der Roten Armee. Nach dem Abzug der Russischen Armee 1994 wurde eine größere Anzahl von Toten nach Russland umgebettet. Über die Errichtung von Gedenkstätten für die gefallenen Rotarmisten gab es einen Beschluss der Sowjetischen Militärverwaltung, der ihre einheitliche Gestaltung festlegte.

Das Leid der Storkower Einwohner und die Angst der Menschen vor Vergeltung erreichte in den letzten Kriegstagen in der Stadt ein schlimmes Ausmaß. Zügellose Propaganda und Hetze hatten dazu geführt, dass Menschen sich das Leben nahmen oder Familienangehörige sie erschossen haben. Allein am 25. April 1945 verloren 89 Zivilpersonen in der Stadt Storkow ihr Leben. Auf dem Ehrenfriedhof der Russischen Armee und den Friedhöfen der Stadt Storkow und ihrer Ortsteile sind insgesamt 2.353 Tote beigesetzt worden.

Die Befreiungstat der Sowjetunion und ihrer Verbündeten schuf vor 75 Jahren die Voraussetzungen für das Wiedererstehen eines neuen deutschen Staates. Dazu musste ein langer und tief greifender historischer Weg zurückgelegt werden, der über die Spaltung und Teilung des ehemaligen deutschen Staates in unterschiedliche politische und ökonomische Systeme durch internationale und nationale Bemühungen schließlich 1990 zur Wiederherstellung der deutschen Einheit in der Bundesrepublik Deutschland geführt hat.

Ohne die historischen Erfahrungen der vergangenen Jahrzehnte wäre dieser große Wandel nicht so schnell und so umfassend gestaltet worden. Dabei ist die Erinnerung an den zurückgelegten Weg in die Erfahrungen der Menschen eingeschmolzen, die dazu beitragen werden, komplizierte Prozesse in der weiteren Entwicklung erfolgreich zu bestehen.

Nach 75 Jahren ist der Zeitpunkt gekommen, an dem wir gemeinsam unsere Stadt so gestaltet haben, dass sie für ihre Bewohner und Gäste wieder attraktiv ist, und dass jetzt auf höherem Niveau das Versprechen des damaligen Poststempels längst wieder gültig ist. Erich Oehring