Weil auf einem alten Militärgelände Munition zerlegt und recycelt werden soll, regt sich bei den Bewohnern des Storkower Ortsteils Bugk Widerstand. Sie fühlen sich schlecht informiert, haben Angst um die Sicherheit und vor Waldbränden. Hinzu kommt die Sorge um die Umwelt. Von Marcel Gäding.
Eine kleine unscheinbare Betonstraße führt direkt von der Bugker Chaussee in ein Waldgebiet. Links befindet sich das Betonwerk, ehe der Weg in einer Sackgasse endet. Auf einem kleinen Schild steht „Nammo“, deutlich größer ist der Hinweis „STOP“ am Tor angebracht. Um die Zäune schlängelt sich in mehreren Bahnen verrosteter Stacheldraht. Zu sehen sind noch Reste von Bahngleisen, über die einst Güterzüge fuhren.
„Nammo“ heißt eigentlich Nammo Buck GmbH – der deutsche Ableger eines international tätigen Luftfahrt- und Verteidigungsunternehmens, wie es auf dessen Webseite heißt. Es wurde 1998 gegründet, die norwegische Regierung ist zur Hälfte an Nammo beteiligt. Weltweit unterhält der Firmenverbund mehr als 30 Standorte in 14 Ländern. Nammo produziert Munition und Raketen für die Verteidigungsindustrie, aber auch für den Waffensport. In Deutschland betreibt das norwegische Unternehmen Nammo drei Niederlassungen – darunter seit 1999 auch in Storkow. Jenes Gelände mitten im Wald, das sowohl auf Gemarkungen von Storkow als auch von Wendisch-Rietz liegt, hat militärische Tradition. Bis 1945 wurde es als Munitionslager von der Wehrmacht genutzt, von 1950 bis 1990 von der Nationalen Volksarmee und danach noch kurzzeitig von der Bundeswehr, die in der Nachbarschaft einen Standortübungsplatz betreibt.
Diskussion mit Sprengstoff
Um eben dieses Nammo-Gelände ist nun aber Streit entbrannt. Denn die Nammo Buck GmbH möchte auf dem Areal nicht nur alte Munition lagern, sondern sie auch zerlegen und recyceln. Dagegen wehrt sich Widerstand vor allem bei den Bewohnern des nahe gelegenen Storkower Ortsteils Bugk. Eine Diskussion mit Sprengstoff, im wahrsten Sinne des Wortes.
Hellhörig wurden die Anwohner, als sie vom Antrag zur „Errichtung und Betrieb einer Munitionszerlegungsanlage“ in ihrer Nachbarschaft erfuhren. Dieser war von der Nammo Buck GmbH Ende vergangenen Jahres beim Landesamt für Umwelt (LFU) gestellt worden. Das LFU informierte darüber im April im Amtsblatt des Landes Brandenburg, auf seiner Internetseite sowie in einer kurzen Notiz in der örtlichen Tageszeitung. Vom 2. Mai bis 3. Juni wurden die Planungsunterlagen inklusive eines Umweltprüfberichtes öffentlich ausgelegt. Ein Grund für das umfangreiche Verfahren: Ein solches Vorhaben kann Auswirkungen auf Umwelt und Sicherheit haben. Anhörungen sind vom Gesetzgeber vorgeschrieben, Behörden müssen die darin geäußerten Bedenken abwägen.
Erörterungstermin auf der Burg Storkow
Bis einschließlich 3. Juli hatten Betroffene Gelegenheit, ihre Einwände zu äußern. Bereits am 6. Juni stimmten die Mitglieder der Storkower Stadtverordnetenversammlung gegen das Vorhaben, während vier Anwohner ihre Einsprüche schriftlich formulierten, von denen drei nach Darstellung des LFU fristgemäß eingereicht wurden. Am Dienstag (13. August) hatten nun beide Seiten – Antragsteller und Einwender – Gelegenheit, im Rahmen eines sogenannten Erörterungstermins auf der Burg Storkow noch einmal ihre Sicht der Dinge darzustellen, aufmerksam verfolgt von zwei Dutzend Mitarbeitern zuständiger Behörden und Kommunalverwaltungen und mindestens genauso vielen Zuschauern. Ein wenig erinnerte alles an eine Gerichtsverhandlung, Hinweise auf ein Film- und Fotografierverbot inklusive.
Bertram Kahlisch vom Landesamt für Umwelt machte anfangs klar, dass der Termin den Einwendern Gelegenheit dazu geben soll, ihre Einwendungen zu erläutern. Zunächst stellte Christoph Rüssel, der Geschäftsführer der Nammo Buck GmbH sein Unternehmen vor, ging auf die Geschichte des Standortes Storkow ein und erläuterte die an der Bugker Chaussee geplanten Vorhaben. Zugelassen waren die Einwendungen der Bugker Matthias Bradtke (Ortsvorsteher), Dr. Rainer Thiel (Wissenschaftler) und Christian Werner (Rechtsanwalt). Vor Ort nahm auch Anwohner Joachim Kotzan Platz, dessen Einspruch jedoch zu spät einging und dem während des Erörterungstermins sogar das Wort entzogen wurde.
Christoph Rüssel von der Nammo Buck GmbH erklärte, dass sein Unternehmen nur über eine alte Genehmigung zur Lagerung von Munition verfüge und mit dem Genehmigungsverfahren eine „belastbare Papiergrundlage“ schaffen will. Man wolle den Storkower Standort ausbauen, das alte Verwaltungsgebäude und die Wache modernisieren. Außerdem sollen Bereiche geschaffen werden, in denen Munition in kleinerem Rahmen zerlegt werden könne. Der Standort biete den dafür notwendigen Schutz, zudem befinde er sich in einem gering bewohnten Gebiet. Bei der zu zerlegenden Munition handele es sich ausschließlich um Bestände aus Staaten des westlichen Militärbündnisses NATO. Sicherheit stehe für sein Unternehmen an erster Stelle, sagte Rüssel. So passieren seit 20 Jahren Lastkraftwagen im Auftrag des Unternehmens die Stadt Storkow, ohne dass es je einen einzigen Unfall gegeben habe. „Sicherheit geht vor Umsatz.“ Erst Ende vergangenen Jahres hatte Nammo seinen Standort im uckermärkischen Pinnow geschlossen und seine Aktivitäten Anfang dieses Jahres nach Storkow verlagert.
Zweifel an der Zuverlässigkeit von Nammo
Thiel, Bradtke und Werner nutzten indes die Möglichkeit, Nachfragen an die Vertreter der Namo Buck GmbH zu stellen. Und das waren einige. Zunächst monierte Dr. Rainer Thiel, dass die Bevölkerung getäuscht worden sei und spielte auf die seiner Ansicht nach sehr dürftigen Pflichtveröffentlichungen in der Tageszeitung an. „Die Bevölkerung ist im Grunde genommen nicht informiert worden.“ Zusammen mit seinen Mitstreitern habe man „kriminalistische Feinarbeit“ leisten müssen, „um dahinter zu kommen, was uns droht“. Auf die Frage von Ortsvorsteher Matthias Bradtke, ob die Bundeswehr in das Genehmigungsverfahren einbezogen sei, berichteten Nammo-Vertreter von Gesprächen mit der Truppe. LFU-Vertreter Bertram Kahlisch räumte jedoch ein, dass die Bundeswehr gegenwärtig nicht am Verfahren beteiligt sei, weil man dafür keine Notwendigkeit sah. Verfahrensfehler, wie sie ihm die Einwender vorwerfen, seien nicht gemacht worden. Dennoch soll die Bundeswehr nun doch angehört werden. Auch den Vorwurf, die Fristen für Einwände seien zu kurz und die Art der Veröffentlichungen über das Vorhaben zu mangelhaft, entkräftete Kahlisch zugleich. Das sei schließlich vom Gesetz- und Verordnungsgeber vorgeschrieben. Anwohner Christian Werner wollte wissen, warum der Umweltprüfbericht nicht nach den Richtlinien des Bundesamtes für Naturschutz erstellt wurde. Darauf ging eine Vertreterin eines Sachverständigenbüros jedoch nicht direkt ein. Schließlich konfrontierte Werner den Antragsteller noch mit fünf Störfällen am alten Standort Pinnow, bei denen nach übereinstimmenden Medienberichten 2015 sechs Menschen teilweise schwer verletzt wurden und 2004 ein Mensch sogar ums Leben kam. „Dass es bei einer Munitionszerlegung zu Störfällen kommt, ist immanent“, erklärte der Rechtsberater von Nammo während der Erörterung. Er sprach mit Blick auf 2015 von einem bedauerlichen Arbeitsunfall unter bestimmten Umständen, ohne auf den tödlichen Vorfall im Jahr 2004 sowie zwei weitere tödliche Unfälle seit 1990 einzugehen. Christian Werner hingegen hat an der Zuverlässigkeit des Unternehmens so seine Zweifel. „Dort wurde etwas gemacht, was nicht von der Genehmigung gedeckt war“, kommentierte der den Störfall von 2015. Man habe Angst, dass sich ein solcher Fall wiederholt – und zwar in Storkow.
Schließlich ging es auch um Auswirkungen auf das naheliegende Landschaftsschutzgebiet, auf den Grundwasserspiegel und auf den Wald, in dem nach Argumentation der Anwohner nahezu das ganze Jahr über eine hohe Waldbrandgefahr herrsche. Erst im Mai dieses Jahres hatte es nur wenige hundert Meter von der Betriebsstätte aus im Wald der Bundeswehr gebrannt. Ob es eine Betriebsfeuerwehr gebe, wollten die Betroffenen wissen. Nein, hieß es von der anderen Seite. Das Personal könne aber in Richtung Brandschutz geschult werden. Ein Vertreter des Landesamtes für Arbeitsschutz, Verbraucherschutz und Gesundheit kündigte allerdings an zu prüfen, ob das Brandschutzkonzept ausreichend ist.
Ob Nammo den Storkower Standort erweitern kann, war zum Erörterungstermin unklar. Aussagen darüber, ob das Projekt genehmigt oder abgelehnt wird, wollte das zuständige Landesamt für Umwelt nicht treffen. Klar ist nur, dass das Verfahren noch alle Seiten eine Weile beschäftigen wird.